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Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats Juni 2013


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Zugriff des Finanzamts auf Daten einer Apotheke?

2.

Dauerthema Dienstwagenbesteuerung: Arbeitslohn bei Nutzung durch Geschäftsführer?

3.

Wann sind Kündigungs- und Vertragsstrafeklauseln in Vertriebsverträgen wirksam?

4.

Getrennte Büroetage im Zweifamilienhaus als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren?

5.

Beendigung der Nutzung fremder Wirtschaftsgüter: Aufdeckung stiller Reserven?

6.

Gesellschafterrechte nach Ausscheiden aus der Gesellschaft

7.

Zum Vorsteuerabzug von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft

8.

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unternehmerisch veranlasst?

9

Grundstückskaufverträge: Option zur Umsatzsteuer, aber richtig!

10.

Voranmeldungszeitraum nach Wegfall der Organschaft

11.

Hinweise zum Vorsteuervergütungsverfahren

12.

Erforderliche Nachweise bei der Ausfuhr von Kfz

13.

Wann könne sich Arbeitnehmer auf Schriftformverstoß berufen?

14.

Arbeitszeitgutschrift: Lohn des Gesellschafter-Geschäftsführers?

15.

Wann ist eine Tatsache dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden?

16.

Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb

17.

Eigene Geschäfte des Arbeitnehmers mit Kunden rechtfertigt fristlose Kündigung

18.

Arbeitnehmer muss sein Zeugnis im Betrieb abholen

19.

Welche Entfernungspauschale gilt für Reisetage: ganze oder halbe?

20.

BFH entscheidet sich für Abkehr vom subjektiven Fehlerbegriff

21.

Bankmitarbeiter haften nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung


1. Zugriff des Finanzamts auf Daten einer Apotheke?

Kernaussage
Führt ein Apotheker über die nach der Rechtsprechung zulässige Ermittlung der Tageseinnahmen durch Tagesendsummenbons hinaus freiwillig eine von seiner PC-Kasse erstellte Datei mit Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe, ist er in der Regel nicht verpflichtet, diese Datei dem Finanzamt bei einer Betriebsprüfung vorzulegen. Das hat das Hessische Finanzgericht aktuell entschieden.

Sachverhalt
Geklagt hatte eine Apothekerin, die die Bareinnahmen ihrer Apotheke mit einer so genannte PC-Kasse erfasste. Die baren Tageseinnahmen stellte sie durch fortlaufende Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung des Kassenspeichers fest. Die Summe der täglichen Bareinnahmen wurde manuell in das Kassenbuch übertragen, das Grundlage der Buchführung war. Der Aufforderung des Betriebsprüfers, auch die elektronische Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, kam sie nicht nach. Zwar legte sie dem Betriebsprüfer eine CD mit Daten aus ihrem Kassensystem vor; die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie dabei jedoch entfernt.

Entscheidung
Für die Aufforderung des Finanzamtes, auch die Datei mit den Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe vorzulegen, bestand keine Rechtsgrundlage. Denn für die Klägerin, die nicht an andere gewerbliche Unternehmen, sondern an Endverbraucher liefere, habe aufgrund der Größe und der Einzelumsatzhäufigkeit weder nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) noch nach der Abgabenordnung (AO) oder nach berufsrechtlichen Bestimmungen eine Verpflichtung bestanden, die einzelnen Barverkäufe manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen, so die Richter. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei es aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität für eine ordnungsgemäße Buchführung auch im Computerzeitalter nicht erforderlich, Einzelaufzeichnungen zu führen, wenn der Unternehmer – wie die klagende Apothekerin – gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl von Kunden im offenen Ladengeschäft verkaufe. Ausreichend sei in solchen Fällen, auf Einzelaufzeichnungen zu verzichten und die festgestellten Tagesendsummen täglich-fortlaufend in ein Kassenbuch zu übertragen. Die Führung des Kassenbuchs solle die streitigen Einzelaufzeichnungen gerade ersetzen. Dass die Klägerin gleichwohl zusätzlich die einzelnen Barverkäufe freiwillig und programmgesteuert in einer gesonderten Datei gespeichert habe, ändere hieran nichts und führe nicht zu einer Vorlagepflicht bei der Betriebsprüfung. Denn die Datei sei grundsätzlich nicht Bestandteil der nach der AO aufzubewahrenden Grundaufzeichnungen. Dass die Datei für das Finanzamt bei einer Verprobung der Pflichtaufzeichnungen hilfreich und interessant sein könne, sei unerheblich. Für den Betrieb der Apothekerin sei die gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs und der Einnahmen gerade nicht erforderlich.

Konsequenz
Das Finanzgericht hat praxisrelevant aber auch klargestellt, dass die hier streitige Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht von der Frage einer im Übrigen erkennbaren Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung und der dadurch eröffneten Schätzungsbefugnis des Finanzamtes strikt zu trennen sei. So ließen nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen (z. B. Differenzen zwischen den Tagessummen laut Z-Bons und den Eintragungen im Kassenbuch oder die nicht zeitgerechte Führung des Kassenbuchs) den Schluss zu, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind und berechtigten das Finanzamt zu Zuschätzungen.

2. Dauerthema Dienstwagenbesteuerung: Arbeitslohn bei Nutzung durch Geschäftsführer?

Kernaussage
Die private Kraftfahrzeugnutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist als Arbeitslohn zu versteuern, wenn feststeht, dass zumindest für gelegentliche Fahrten eine Nutzung erlaubt war. Das hat kürzlich das Finanzgericht Münster entschieden.

Sachverhalt
Der Kläger ist zu 50 % an einer GmbH beteiligt und neben dem weiteren Gesellschafter einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die GmbH stellt ihm für betriebliche Zwecke ein Fahrzeug zur Verfügung. Der Anstellungsvertrag des Klägers enthält keine Regelungen über eine private Fahrzeugnutzung. Das Finanzamt nahm die Überlassung des ausschließlich dem Kläger zugeordneten Fahrzeugs auch für Privatfahrten an und berechnete den Arbeitslohn nach der so genannten 1 %-Methode. Der Kläger wandte hiergegen ein, die GmbH habe mündlich ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen. Mit seinem Mitgesellschafter habe er für etwaige Privatfahrten vereinbart, dass diese in ein Fahrtenbuch einzutragen seien. Zudem befinde sich in seinem Privatvermögen ein Motorrad. Auch könne er die Pkws seiner Ehefrau und seines Sohnes nutzen.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers und der Zeugenaussage des Mitgesellschafters stehe fest, dass zumindest eine gelegentliche private Nutzung erlaubt gewesen und deshalb gerade kein generelles Verbot ausgesprochen worden sei. Daher folge aus dem Anscheinsbeweis, dass der Kläger den Dienstwagen tatsächlich privat genutzt habe. Die Nutzungsmöglichkeiten anderer Fahrzeuge widerlegten diesen Anscheinsbeweis nicht, da die Fahrzeuge der Ehefrau und des Sohnes dem Kläger nicht zur freien Verfügung gestanden hätten und das Motorrad nicht dieselben Nutzungsmöglichkeiten eröffne wie der Dienstwagen.

Konsequenz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) spricht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung eines Dienstwagens. Dieser kann jederzeit durch Gegenbeweis erschüttert oder entkräftet werden; die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug werde nicht für Privatfahrten genutzt oder diese würden ausschließlich mit anderen Pkws durchgeführt, genügt allerdings nicht, um die 1 %-Methode auszuschließen. Hier hätte der Kläger z. B. ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorlegen können, aus dem sich ein geringerer privater Nutzungsanteil ergeben hätte. Vorsicht geboten ist auch bei der Behauptung eines generellen Verbots der privaten Nutzung: hier wird das Finanzamt ggf. der Frage nachgehen, ob eine unerlaubte private Nutzung eines überlassenen Kfz durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt.

3. Wann sind Kündigungs- und Vertragsstrafeklauseln in Vertriebsverträgen wirksam?

Kernaussage
Eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, die eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von 3 Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres vorsieht, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Auch eine AGB-Klausel, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Vertragspartners verwirkt werden kann, benachteiligt diesen unangemessen.

Sachverhalt
Der Kläger ist Finanzdienstleister. Mit dem Beklagten besteht ein Handelsvertretervertrag im Nebenberuf. Der Vertrag sieht vor, dass nach einer Vertragslaufzeit von 3 Jahren die Kündigung nur unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres zulässig ist. Außerdem enthält der Vertrag eine Klausel, wonach der Handelsvertreter bei Wettbewerbsverstößen eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden verwirkt. Nach der Kündigung des Handelsvertreters ohne Einhaltung der vereinbarten Frist verlangte der Kläger im Wege einer Stufenklage zunächst Auskunft, wie viele Verträge der Handelsvertreter nach der Kündigung abgeschlossen hat. Nach mehreren Instanzen hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück.

Entscheidung
Der BGH entschied, dass der Auskunftsanspruch nicht für den gesamten Zeitraum bestehe. Die formularmäßige Vereinbarung der Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Jahresende ist unwirksam, da sie der AGB-Inhaltskontrolle nicht standhält. Sie benachteiligt den Handelsvertreter unangemessen, weil ein nebenberufliches Handelsvertreterverhältnis rascher als ein hauptberufliches beendet werden soll und selbst bei einem hauptberuflichen zumindest mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden kann. Auch die Vertragsstrafe benachteiligt den Handelsvertreter unangemessen und hält daher einer Inhaltskontrolle nicht stand. Denn die Vertragsstrafe greift auch ohne Verschulden des Handelsvertreters und es bestehen keine gewichtigen Gründe, die dies rechtfertigen.

Konsequenz
Wenn sich bei freien Vertriebspartnern von den gesetzlichen Normalfällen im Wege allgemeiner Geschäftsbedingungen gelöst wird, ist darauf zu achten, dass ausgewogene Vereinbarungen getroffen werden. Andernfalls besteht die Gefahr der Unwirksamkeit der AGB aufgrund unangemessener Benachteiligung.

4. Getrennte Büroetage im Zweifamilienhaus als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren?

Kernproblem
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen grundsätzlich einem steuerlichen Abzugsverbot. Ein eingeschränkter Abzug von bis zu 1.250 EUR gilt nur, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Hiervon profitieren nicht nur Lehrer, sondern insbesondere Außendienstler oder nebenberuflich Tätige. Ein uneingeschränkter Abzug aller Kosten verbleibt in Ausnahmefällen nur bei solchen Steuerpflichtigen, die den (qualitativen) Mittelpunkt ihrer Betätigung im Arbeitszimmer haben. Geht man davon aus, dass eine Vielzahl von Berufen den Kern der Tätigkeit beim Kunden, Mandanten oder Patienten ausüben, bleibt für den Komplettabzug meist kein Raum. Da wundert es nicht, dass der Versuch unternommen wird, den unbestimmten Rechtsbegriff des "häuslichen Arbeitszimmers" zu umgehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dazu auch mehrmals Hoffnung gemacht, u. a. wenn die Räumlichkeiten für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet sind (z. B. bei Arztpraxen im Einfamilienhaus). Auch eine weitere in einem Mehrfamilienhaus befindliche und als Arbeitsraum genutzte Wohnung kann den Bezug zur Privatwohnung verlieren. Um diese letzte Fallgestaltung herum rankt sich ein weiteres Urteil.

Sachverhalt
Betroffen war ein angestellter Arzt, der freiberuflich als Erfinder Einkünfte erzielte und hierfür ein Büro im Obergeschoss des von ihm und seiner Familie bewohnten Zweifamilienhauses unterhielt. Der Zugang war ihm von der Wohnung im Erdgeschoss nicht unmittelbar sondern nur über eine eigene Eingangstür und separaten Treppenaufgang möglich. Das Finanzgericht ließ nach einer Klage des Erfinders den uneingeschränkten Abzug zu. Das Finanzamt ging jedoch in Revision und bekam Recht.

Entscheidung
Der BFH beurteilte auch diese Fallgestaltung als häusliches Arbeitszimmer und schränkte den Betriebsausgabenabzug ein. Entscheidendes Merkmal bleibt die Einbindung des Arbeitsraums in die häusliche Sphäre, d. h. die Zugehörigkeit zur Wohnung. Dabei sei eine unmittelbare Verbindung zur Wohnung nach Auffassung der Richter nicht erforderlich, denn auch Mansardenzimmer oder Kellerräume ständen als Zubehörräume noch in einer räumlichen Verbindung. Eine Durchbrechung des inneren Zusammenhangs setze regelmäßig voraus, dass das Arbeitszimmer über eine der Allgemeinheit zugängliche und auch von anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen sei. Denn nur in diesem Fall werde die räumliche Trennung zwischen Arbeitszimmer und Wohnhaus gelöst. Das gelte unabhängig von dem Abschluss separater Mietverträge (wie im Streitfall).

Konsequenz
Bei Arbeitsräumen im eigenen Ein- oder Zweifamilienhaus wird die Einbindung in die häusliche Sphäre nach der Rechtsprechung des BFH etwa auch durch (dauerhaften) Publikumsverkehr oder die Beschäftigung von nicht familienangehörigen Teilzeitkräften aufgehoben oder überlagert. Solche Fälle versprechen Aussicht auf Erfolg.

5. Beendigung der Nutzung fremder Wirtschaftsgüter: Aufdeckung stiller Reserven?

Kernaussage
Baut ein Steuerpflichtiger auf fremdem Grund und Boden und nutzt das hergestellte Gebäude zum Zwecke der Einkunftserzielung, hat er die Herstellungskosten des Gebäudes "wie ein Wirtschaftsgut" zu aktivieren und wie ein Gebäude abzuschreiben. Endet die Nutzung des Gebäudes, bevor die Herstellungskosten vollständig durch Abschreibungen aufgezehrt sind, sind diese Kosten erfolgsneutral auszubuchen.

Sachverhalt
Der Kläger baute auf einem Grundstück, das ihm und seiner Frau zu hälftigem Miteigentum gehörte, ein Gebäude, das er als Schreinerei nutzte. Die Herstellungskosten für dieses Gebäude wurden aktiviert. Um die Erbfolge vorwegzunehmen, gründete der Kläger mit seinen beiden Söhnen, den weiteren Klägern, eine GbR, in die die Schreinerei eingebraucht wurde. Grundstück und Gebäude behielt der Kläger allerdings zurück. Unmittelbar nach Gründung der GbR wurde die Schreinerei in eine schon bestehende GmbH eingebracht. Der Geschäftswert wurde von der GbR an die GmbH verpachtet. Der Kläger und – soweit sie zivilrechtlich am Grundstück und dem Gebäude berechtigt war – seine Ehefrau verpachteten das Grundstück nebst Gebäude an die GmbH. Sämtliche Kläger behandelten die Pachteinnahmen des Klägers zu als Sonderbetriebseinnahmen bei der GbR. Im Rahmen einer sich anschließenden Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt allerdings die Auffassung, auch der Geschäftswert der Schreinerei sei mit auf die GmbH übergegangen und die GbR habe damit eine logische Sekunde nach ihrer Gründung aufgehört zu existieren. Daher habe der Kläger keine Sonderbetriebseinnahmen bei der GbR, sondern habe das Grundstück und das Gebäude aus dem Betriebsvermögen entnommen und den Entnahmegewinn zu versteuern.

Entscheidung
Nach nur teilweise erfolgreicher Klage vor dem Finanzgericht legten die Kläger Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) ein. Dieser entschied, dass in der vorliegenden Gestaltung grundsätzlich eine Betriebsaufgabe zu sehen sei. Allerdings seien die stillen Reserven nicht bei der Berechnung des Aufgabegewinns zu berücksichtigen, soweit sie auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau am Gebäude entfielen. Denn insoweit habe der Kläger keine Entnahme getätigt, das Nutzungsrecht am Gebäude sei untergegangen. Daher sei eine Gewinnrealisation insoweit nicht gegeben. Allerdings seien die bis dato noch nicht abgeschriebenen Herstellungskosten erfolgsneutral auszubuchen, sodass es auch nicht zu einem Verlust kommen konnte.

Konsequenzen
Mit der Entscheidung hat der BFH abermals klargestellt, dass bei einem Steuerpflichtigen, der auf fremdem Grund baut, nicht das Gebäude selbst aktiviert wird. Vielmehr ist ein durch die Herstellung erworbenes Nutzungsrecht "wie ein Wirtschaftsgut" zu behandeln, zu aktivieren und nach Gebäudegrundsätzen abzuschreiben. Endet die Nutzung sind verbleibende Kosten erfolgsneutral auszubuchen.

6. Gesellschafterrechte nach Ausscheiden aus der Gesellschaft 

Kernaussage
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt in der Regel auch über das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesellschafters zu der Gesellschaft hinaus.

Sachverhalt
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Sie waren in einer Partnerschaftsgesellschaft verbunden. Der Kläger ist zwischen Einreichung und Zustellung der Klage im vorliegenden Verfahren zum 30.6.2010 ausgeschieden. Auf einer Gesellschafterversammlung am 19.5.2010 wurden folgende Beschlüsse gefasst: Der Kläger wurde aufgefordert, die von ihm Anfang Mai 2010 von den Konten der Partnerschaft abgeräumten bzw. entnommenen Beträge über insgesamt 85.000 EUR unverzüglich, bis spätestens 28.5.2010, an die Partnerschaft zurückzuzahlen. Der Kläger wurde weiterhin aufgefordert, die von ihm bereits aus den Kanzleiräumen entfernten Original-Akten, insbesondere die am Wochenende des 15./16.5.2010 aus der Kanzlei beiseite geschafften Akten in die Kanzleiräume zurückzubringen; dies gelte vor allem, soweit sie Angelegenheiten beträfen, bei denen der Partnerschaft Ansprüche (z. B. auf Auslagenerstattung) zustehen könnten. Der Kläger begehrt gerichtlich die Feststellung, dass diese Beschlüsse nichtig sind, hilfsweise, dass sie keine Rechtswirkung entfalten.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem klagenden Rechtsanwalt Recht. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung eines unwirksamen Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt grundsätzlich auch über das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesellschafters zur Gesellschaft hinaus. Vorliegend besteht das Feststellungsinteresse, da der Beschlussinhalt nicht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters hinfällig wird. Außerdem kommt den Beschlüssen ein Regelungscharakter innerhalb der Gesellschaft zu.

Konsequenz
 Der BGH führt seine Rechtsprechung fort, wonach bei Personengesellschaften auch nach dem Ausscheiden ein Feststellungsinteresse bestehen kann. Insofern ist die Entscheidung nicht nur für Anwaltsgesellschaften, sondern für sämtliche Personengesellschaften bedeutsam.

7. Zum Vorsteuerabzug von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft

Kernaussage
Nach Auffassung der Finanzverwaltung und nach der bisherigen Rechtsprechung herrscht im Hinblick auf den Vorsteuerabzug eine klare Trennung zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern. Gesellschafter können daher z. B. nur den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern geltend machen, die sie ihrer Gesellschaft überlassen, wenn sie selbst hiermit unternehmerisch tätig werden. Dies ist bei entgeltlicher, nicht jedoch bei unentgeltlicher Überlassung der Fall. Wird dies nicht beachtet, so ist der Vorsteuerabzug sowohl für die Gesellschaft als auch für den Gesellschafter verloren. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat nun im Anschluss an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Bedenken, ob diese Rechtslage aufrecht erhalten werden kann.

Sachverhalt
Der Gesellschafter einer Steuerberater-GbR (i. W. GbR) erwarb einen Mandantenstamm und überließ diesen unentgeltlich seiner GbR. Das Finanzamt versagte ihm den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstammes.

Entscheidung
Der XI. Senat des BFH tendiert dazu, dem Gesellschafter den Vorsteuerabzug zu gewähren. Er beruft sich hierbei auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH. Dieser hatte einer Gesellschaft den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb eines Wirtschaftsguts durch einen ihrer Gesellschafter zugestanden, das dieser steuerfrei auf seine Gesellschaft übertragen hatte. Der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige V. Senat des BFH hat es jedoch auf Anfrage abgelehnt, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Er vertritt den Standpunkt, dass das Urteil des EuGH nicht auf unentgeltliche Nutzungsüberlassungen anwendbar ist. Der XI. Senat hat nun zur Klärung den Fall dem EuGH vorgelegt.

Konsequenz
Es ist zu hoffen, dass der EuGH nun für Rechtssicherheit sorgt. Denn nicht nur die Senate des BFH sind sich uneins hinsichtlich der Konsequenzen des Urteils, sondern auch die Fachliteratur. Zum einen misst diese dem Urteil nur in wenigen Fällen Bedeutung bei, zum anderen wird die Auffassung vertreten, dass Gesellschaftern nun der Vorsteuerabzug aus allen Ausgaben für ihre Gesellschaft zustehen müsste, sofern deren Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bedeutung hätte dies z. B. für Holdinggesellschaften. Bis zur Entscheidung sind Gestaltungen zu vermeiden, die den Vorsteuerabzug gefährden. Wirtschaftsgüter sollten daher den Gesellschaften entgeltlich von den Gesellschaftern überlassen werden. In noch offenen Fällen können unter Berufung auf das beim EuGH anhängige Verfahren Rechtsmittel eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

8. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unternehmerisch veranlasst?

Kernaussage
Während Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ertragsteuerlich der privaten Kfz-Nutzung zugerechnet werden, werden sie in der Umsatzsteuer der unternehmerischen Nutzung zugeordnet. Sie berechtigen daher grundsätzlich zum Vorsteuerabzug. Der Bundesfinanzhof (BFH) muss nun entscheiden, ob dies so bleibt.

Sachverhalt und Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Münster hatte die Fahrten eines Unternehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als private Nutzung qualifiziert. Die Richter beriefen sich hierbei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die Beförderung von Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber ebenfalls der unternehmensfremden Nutzung zugeordnet hatte. Nun ist die Revision beim BFH anhängig.

Konsequenz
Das Urteil des FG steht im Widerspruch zur derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung. Solange die Entscheidung des BFH aussteht, besteht daher vorerst kein Anlass die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Allerdings ist die weitere Entwicklung zu verfolgen. Es ist auch fraglich, ob sich für viele Unternehmer etwas ändern wird, sollte der BFH dem FG folgen. Denn in der Praxis ist zu beobachten, dass die "Vorteile" die die Umsatzsteuer bei der Besteuerung der privaten Kfz-Nutzung im Gegensatz zur ertragsteuerlichen Betrachtung mit sich bringt, selten in vollem Umfang genutzt werden. So ist den Wenigsten bekannt, dass neben der 1 %- und der Fahrtenbuchmethode für Zwecke der Umsatzsteuer die unternehmerische Nutzung auch geschätzt werden darf. Die Schätzung bietet i. d. R. Vorteile, wenn ertragsteuerlich die "Kostendeckelung" zum Tragen kommt oder das Fahrtenbuch formal als nicht ordnungsgemäß verworfen wird, jedoch als Grundlage einer Schätzung noch taugt.

9. Grundstückskaufverträge: Option zur Umsatzsteuer, aber richtig!

Einführung
Grundstücksverkäufe an Unternehmer können als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (i. W. GiG) oder als "normale" steuerfreie Veräußerung zu behandeln sein. Von Bedeutung ist diese Differenzierung im Hinblick auf eine mögliche Berichtigung der im Zusammenhang mit dem Objekt geltend gemachten Vorsteuer (nach § 15a UStG). Bei der GiG ergibt sich keine Vorsteuerberichtigung für den Verkäufer, da der Erwerber in dessen "Fußstapfen" tritt und das Vorsteuerkorrekturpotential fortführt. Liegt hingegen keine GiG vor ist der Verkauf steuerfrei. Eine Korrektur der Vorsteuer zuungunsten des Verkäufers kann dann nur durch eine Option zur Umsatzsteuer vermieden werden (§ 9 Abs. 1 UStG) Gehen die Vertragsparteien davon aus, dass der Verkauf als GiG zu behandeln ist, wird häufig zusätzlich eine Umsatzsteuerklausel vereinbart, wonach zur Umsatzsteuer optiert wird, um eine Vorsteuerberichtigung zu vermeiden, falls die Finanzverwaltung den Verkauf nicht als GiG qualifiziert.

Aktuelle Rechtslage
Die aktuelle Rechtsauffassung lässt eine Option zur Umsatzsteuer nur noch bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Jahr des Vertragsabschlusses zu. Diese tritt mit Ablauf der Einspruchsfrist des entsprechenden Umsatzsteuerbescheides ein. Bisher beinhalteten die Umsatzsteuerklauseln häufig nur eine bedingte Option zur Umsatzsteuer, die dann eintrat, wenn die Finanzverwaltung die GiG endgültig abgelehnt hatte. Aufgrund der geänderten Rechtslage wird nunmehr zu einer unbedingten Option geraten, da befürchtet wird, dass aufgrund Eintretens der formellen Bestandskraft die bedingte Option ins Leere läuft. Eine Stellungnahme der Finanzverwaltung zu dieser wichtigen Frage fehlte bisher.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. bestätigt nun, dass nur die unbedingte Option vor einer Vorsteuerberichtigung schützt. Eine unbedingte Option liegt dann vor, wenn die Vertragsparteien im notariellen Kaufvertrag die unbedingte Option zur Umsatzsteuer nach § 9 Abs. 1 UStG erklären und gleichzeitig vereinbaren, dass der Grundstücksverkauf als GiG zu behandeln ist.

Konsequenzen
Auch wenn es sich grundsätzlich widerspricht, 2 Dinge gleichzeitig zu vereinbaren, die sich gegenseitig ausschließen, so ist der Finanzverwaltung zu folgen. Umsatzsteuerklauseln, die eine Berichtigung der Vorsteuer bewirken sollen, müssen unbedingt vereinbart werden.

10. Voranmeldungszeitraum nach Wegfall der Organschaft

Kernaussage
Ist eine Gesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, so gilt die Gesellschaft nicht als Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes (UStG). Mit Beendigung der Organschaft lebt die Unternehmereigenschaft wieder auf. Die Gesellschaft muss nun selbst Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Die Finanzverwaltung hat aktuell dargestellt, wie der Voranmeldungszeitraum für solche Gesellschaften nach Beendigung der Organschaft zu bestimmen ist.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) differenziert zwischen Neugründungs- und übrigen Fällen. Hatte die ehemalige Organgesellschaft erst im Jahr ihres Ausscheidens aus der Organschaft ihre unternehmerische Tätigkeit aufgenommen oder in dem vorhergehenden Kalenderjahr, so ist die Voranmeldung monatlich abzugeben (Neugründungsfall). In allen übrigen Fällen kann der Voranmeldungszeitraum aus Vereinfachungsgründen auf Basis der Umsatzsteuer des dem Ausscheiden vorangehenden Kalenderjahres des bisherigen Organkreises bestimmt werden. Allerdings steht es der Gesellschaft auch frei, einen anderen Voranmeldungszeitraum zu beantragen. Der Nachweis, dass hierzu die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, ist durch Ermittlung der fiktiv auf die Gesellschaft entfallenden Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr zu erbringen.

Konsequenzen
Die Aussagen des BMF dürften grundsätzlich dem bisherigen Vorgehen in der Praxis entsprechen. Interpretationsbedürftig ist jedoch der Begriff der "fiktiven Steuer". Zum einen könnte hiermit die Steuer gemeint sein, die aus der Umsatzsteuerjahreserklärung des betreffenden Jahres tatsächlich auf die Organgesellschaft entfällt. In diesem Fall dürfte die fiktive Steuer aus der Finanzbuchhaltung der bisherigen Organgesellschaft zu entnehmen sein. Fiktiv könnte zum anderen aber auch bedeuten, dass von der Organgesellschaft gegenüber dem Organträger erbrachte Umsätze bzw. von dieser bezogene Umsätze zu berücksichtigen sind. Diese wirken sich im Rahmen der Organschaft nicht aus, da sie hier nicht steuerbare Innenumsätze darstellen. Eine Klarstellung diesbezüglich wäre wünschenswert.

11. Hinweise zum Vorsteuervergütungsverfahren

Kernaussage
Im Ausland ansässige Unternehmen, die im Inland Leistungen beziehen, können sich unter bestimmten Voraussetzungen die ihnen in Rechnung gestellte (deutsche) Vorsteuer vergüten lassen. Vergleichbare Regelungen existieren auch häufig im Ausland für die Vergütung von ausländischer Vorsteuer an in Deutschland ansässige Unternehmen. Zwischen den Mitgliedsstaaten ist die Vergütung generell vorgesehen und vereinheitlicht, im Verhältnis zu Drittländern ist dies im Einzelfall zu prüfen.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt gibt in einer aktuellen Verfügung einen Überblick der geltenden Regelungen. Ausführlich thematisiert wird das Procedere der Ausstellung der Unternehmerbescheinigung (Vordruck USt 1 TN). Diese wird in Drittländern zum Nachweis der Unternehmereigenschaft und steuerlichen Erfassung in Deutschland im Rahmen der Beantragung der Vorsteuervergütung benötigt. Für andere Zwecke darf die Bescheinigung nicht verwendet werden.

Konsequenzen
Die Verfügung bietet Unternehmen einen guten Einstieg in die Thematik der Vorsteuervergütung und Hinweise zu vertiefenden Quellen. Allerdings werden viele Unternehmen nicht umhin kommen, externen Rat einzuholen, wenn Anträge auf die Vergütung von Vorsteuer insbesondere in Drittländern zu stellen sind. Kleine Mängel können hier schon zur Versagung des Anspruchs führen, insoweit ist Vorsicht geboten.

12. Erforderliche Nachweise bei der Ausfuhr von Kfz

Kernaussage
Ausfuhren sind steuerfrei. Dies setzt allerdings voraus, dass der Unternehmer die Ausfuhr als solche beleg- und buchmäßig nachweisen kann. Nachdem die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV), die die zu erbringenden Nachweise regelt, schon zum 1.1.2012 geändert wurde, erfolgte mit Wirkung vom 20.12.2012 eine erneute Änderung, die die Ausfuhr von Kfz betrifft.

Neue Rechtslage
Durch die erneute Änderung der UStDV wurde u. a. der Kreis der Fahrzeuge, für die nach der UStDV zusätzliche Nachweispflichten gelten auf Fahrzeuge gem. § 1b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG beschränkt (= motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 ccm oder einer Leistung von mehr als 7,2 kw). Ferner betrifft die neue Regelung nicht mehr Fahrzeuge, die zugelassen sind, sondern solche, die einer Zulassung bedürfen. Hierdurch werden nunmehr auch Fahrzeuge mit einem Kurzzeit- oder roten Kennzeichen erfasst.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun zur Neuregelung und den Ausnahmen hierzu Stellung bezogen und den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) entsprechend geändert.

Konsequenzen
 Unternehmen, die Fahrzeuge ausführen, müssen sich mit der Neuregelung auseinandersetzen, um nicht Gefahr zu laufen, die Steuerbefreiung mangels ordnungsgemäßen Nachweises versagt zu bekommen.

13. Wann könne sich Arbeitnehmer auf Schriftformverstoß berufen?

Kernaussage
Scheidet ein Arbeitnehmer, der unbedingt und schnell zu einem anderen Unternehmen wechseln möchte, lediglich aufgrund eines mündlichen Aufhebungsvertrags aus dem Arbeitsverhältnis aus, so kann er sich Jahre später regelmäßig nicht mehr auf einen Verstoß gegen die gesetzliche Schriftformpflicht berufen. Die Berufung auf das Schriftformerfordernis ist in diesem Fall treuwidrig. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber eingegangen ist.

Sachverhalt
Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten. 2007 wechselte die Klägerin auf eigenen Wunsch zu einem Schwesterunternehmen der Beklagten in die Schweiz. Die Beklagte verzichtete auf Einhaltung der Kündigungsfrist und schrieb der Klägerin, dass das Anstellungsverhältnis zum 30.7.2007 endet. Im August 2011 kündigte das Schwesterunternehmen der Klägerin. Daraufhin verklagte die Klägerin das Schwesterunternehmen auf eine Abfindung unter Anrechnung der Vorbeschäftigung, machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend und nahm ein neues Arbeitsverhältnis in der Schweiz an.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht entschied, anders als die Vorinstanz, dass die Klägerin keine Weiterbeschäftigung verlangen kann. Zwar ist das Arbeitsverhältnis 2007 nicht formwirksam beendet worden. Entgegen der gesetzlichen Schriftformbestimmung fehlt die Schriftform für den Aufhebungsvertrag. Hierauf kann sich die Klägerin aber wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht berufen. Es liegt ein widersprüchliches Verhalten vor. Denn der Klägerin wurde eine reibungslose Beendigung ihres Arbeitsverhältnis auf ihren Wunsch ermöglicht. Auf die schriftliche Bestätigung, die jedoch nicht der Schriftform genügt, da auch die Klägerin den Aufhebungsvertrag hätte unterschreiben müssen, hat diese nicht reagiert. Erst 4 Jahre später hat sich die Klägerin an den Formverstoß erinnert, was jedoch widersprüchlich zu ihrem Vorverhalten ist. Weiter hat die Klägerin durch die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht, dass sie nie an den Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses geglaubt hat.

Konsequenz
Der Arbeitnehmer kann sich bei einem Formverstoß nicht "die Rosinen rauspicken", indem er 4 Jahre später einen Formverstoß rügt, der ihm vorher egal war und sogar seinem Willen entsprach. In einer solchen Situation widerspricht es Treu und Glauben, sich auf den Formverstoß zu berufen.

14. Arbeitszeitgutschrift: Lohn des Gesellschafter-Geschäftsführers?

Kernaussage
Der GmbH-Geschäftsführer, der auch Gesellschafter ist, hat bei einem flexiblen Arbeitszeitmodell im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto keinen Zufluss von Arbeitslohn.

Sachverhalt
Die klagende GmbH wollte ein flexibles Arbeitszeitmodell einführen. Die Arbeitnehmer und auch die an der GmbH beteiligten Geschäftsführer sollten Arbeitszeiten auf dem Konto ansammeln, die dann in einer zweiten Phase zur Freistellung bei Lohnfortzahlung führen sollten. Die GmbH beantragte eine verbindliche Auskunft, ob zum Zeitpunkt der Gutschrift ein Zufluss von Arbeitslohn gegeben sei. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass bei den beteiligten Geschäftsführern bereits die Gutschrift zu einem Zufluss von Arbeitslohn führe. Hiergegen klagte die GmbH vor dem Finanzgericht.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt, ließ jedoch die Revision zu. Auch bei den beteiligten Geschäftsführern führt die Gutschrift nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn. Damit fällt im Moment der Gutschrift noch keine Einkommensteuer an. Ein Zufluss liegt in dem Moment vor, in dem der Steuerpflichtige wirtschaftlich über den Lohn verfügen kann. Eine Gutschrift kann dann einen Zufluss darstellen, wenn der Arbeitnehmer in der Lage ist, ohne weiteres Zutun des Arbeitgebers den Leistungserfolg herbeizuführen. Vorliegend kann aber erst in der Freistellungsphase der Leistungserfolg herbeigeführt werden, so dass erst dann ein Zufluss vorliegt. Auch für beteiligte Geschäftsführer ergibt sich keine andere Beurteilung. Als Geschäftsführer erzielen auch sie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, wofür die allgemeinen Zuflussregeln gelten. Trotz ihrer gleichzeitigen Gesellschafterstellung können sie nicht erreichen, dass sie als Geschäftsführer schon vor der Freistellungsphase über ihre Guthaben verfügen können, denn die vorliegende Ausgestaltung erlaubt erst eine Aus- bzw. Weiterzahlung in der Freistellungsphase. Irrelevant ist auch, dass die Geschäftsführer keine festen Arbeitszeiten haben, denn auf dem Konto wird faktisch Arbeitsentgelt und kein Arbeitszeitguthaben angesammelt.

Konsequenz
Das Urteil des Finanzgerichts Münster stellt klar, dass bei Arbeitszeitkonten mit anschließender bezahlter Freistellung beteiligte Geschäftsführer wie Arbeitnehmer im Hinblick auf den Zufluss von Arbeitslohn zu behandeln sind.

15. Wann ist eine Tatsache dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden?

Kernaussage
Erklärt der Steuerpflichtige nicht entweder einen Veräußerungsgewinn selber oder alle für die Ermittlung des Gewinns relevanten Zahlen in seiner Steuererklärung, so verletzt er gegenüber dem Finanzamt seine Mitwirkungspflicht. Erfährt das Finanzamt dann nachträglich von diesem Gewinn, so kann es einen einmal erlassenen bereits bestandskräftigen Einkommenssteuerbescheid ändern.

Sachverhalt
Der Kläger hatte im Jahr 2003 Anteile an einer GmbH aus einem Insolvenzverfahren unter Einsatz von 179.000 Euro erworben. Im Jahr 2006 erhielt der Kläger Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagenkonto der GmbH in Höhe von 1,4 Mio. Euro. In seiner Steuererklärung 2006 machte der Kläger weder Angaben zu Ausschüttungen und Anschaffungskosten noch legte er eine Gewinnermittlung vor. Er fügte lediglich eine Steuerbescheinigung der GmbH über die Zahlung der 1,4 Mio. Euro bei. Im Rahmen einer nachfolgenden Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass die aus dem Einlagenkonto zugeflossenen Zahlungen die Anschaffungskosten der Anteile überstiegen haben. Das Finanzamt wertete dies als Veräußerungsgewinn und passte den Steuerbescheid entsprechend an.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Vorgehen des Finanzamts. Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist, dass dem Finanzamt nachträglich neue Tatsachen bekannt werden. Als neu gelten Tatsachen, die dem Finanzamt bei Abschluss des Steuerbescheides nicht bekannt waren. Neu ist eine Tatsache hingegen nicht, wenn sie dem Finanzamt bei ordentlicher Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Im Rahmen dieser Ermittlungspflicht muss der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht durch richtiges, vollständiges Ausfüllen der Steuererklärung nachkommen. Zwar verlangt der Amtsermittlungsgrundsatz, dass das Finanzamt allen Zweifelsfragen, die sich offenkundig aufdrängen, nachgehen muss; allerdings stellt der Bundesfinanzhof klar, dass eine mögliche Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Finanzamtes hier dahinstehen kann. Denn der Kläger hatte seiner Mitwirkungspflicht ebenfalls nicht ausreichend genügt, da es an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Deutlichkeit der Steuererklärung mangelte.

Konsequenz
Der Bundesfinanzhof präzisiert die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen für Ausschüttungsgewinne. Die Vorlage einer Steuerbescheinigung über rückgezahlte Beträge reicht nicht aus. Es sind alle relevanten Daten anzugeben, die erforderlich sind, um dem Finanzamt eine Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens zu ermöglichen. Verletzt der Steuerpflichtige diese Pflicht zum richtigen, vollständigen und deutlichen Ausfüllen der Steuererklärung, verhindert auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Finanzamtes nicht die nachträgliche Änderung des Steuerbescheides.

16. Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Kernaussage
Selbstständig tätige Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell entschieden und damit seine frühere Auffassung aufgegeben, nach der Prostituierte aus "gewerbsmäßiger Unzucht" keine gewerblichen, sondern sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes) erwirtschafteten.

Sachverhalt
Die Klägerin war seit dem Streitjahr 2006 als Prostituierte tätig und bot Dritten ihre Dienste gegen Entgelt in einer eigens dafür gemieteten Wohnung an. Ihre Betriebseinnahmen beliefen sich im Streitjahr einschließlich der Umsatzsteuer auf etwa 64.000 EUR und die Betriebsausgaben auf ca. 26.000 EUR. Das beklagte Finanzamt behandelte den aus der Prostitution erzielten Gewinn in Höhe von 38.115 EUR nicht – wie erklärt – als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 152 EUR fest. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht hatte zwar noch Erfolg; der BFH teilte jedoch schließlich die Ansicht des Finanzamts.

Entscheidung
Das Bundesfinanzministerium hat im vorliegenden Verfahren mitgeteilt, die Auffassung, dass selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, werde schon seit längerer Zeit vertreten. Diese Ansicht wird auch allgemein von der Literatur geteilt. Dem schloss sich der BFH nun mit folgender Begründung an: Unter einem Gewerbebetrieb ist jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, falls sie den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet und es sich nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft oder einer selbständigen Arbeit handelt. Selbständig tätige Prostituierte erfüllen diese Voraussetzungen; sie nehmen insbesondere in Abweichung von der früher vertretenen Auffassung des BFH auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil; die Prostitution kann in Gestalt eines "sich am wirtschaftlichen Verkehr beteiligenden Unternehmens" betrieben werden. Prostituierte erzielen auch keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Konsequenz
Der BFH folgte mit seiner nunmehr getroffenen Entscheidung der in der Verwaltung und der Literatur allgemein vertretenen Auffassung, nach der Prostituierte mit ihrer Tätigkeit einen Gewerbebetrieb unterhalten.

17. Eigene Geschäfte des Arbeitnehmers mit Kunden rechtfertigt fristlose Kündigung

Kernfrage
Arbeitnehmer dürfen im Marktbereich ihres Arbeitgebers keine eigenen Dienste und Leistungen anbieten. Insoweit erwächst aus dem Arbeitsvertrag während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu befinden, ob ein Wettbewerbsverstoß durch den Arbeitnehmer dessen fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen könne, und zwar selbst dann, wenn der eigentliche Wettbewerbsverstoß bereits Jahre her, aber dem Arbeitgeber nicht bekannt war.

Sachverhalt
Der Kläger hatte für seinen Arbeitgeber einen Begutachtungsauftrag durchgeführt. Die anschließende Reparatur beim Kunden führte er "schwarz" auf eigene Rechnung durch. Als der Arbeitgeber im Rahmen einer Reklamation der Reparaturmaßnahme 3 Jahre später von dem Vorfall erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht, weil der fristlose Kündigungsgrund einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit eröffnet sei. Denn Arbeitnehmer dürfen im Marktbereich ihres Arbeitgebers keine eigenen Leistungen erbringen. Auch die Tatsache, dass bereits ein langjähriges Arbeitsverhältnis bestand, half dem Arbeitnehmer in der Interessenabwägung nicht. Darüber hinaus könne auch die Tatsache, dass zwischen eigentlichem Verstoß und Entdeckung Jahre vergangenen waren, nicht zugunsten des Arbeitnehmers gewertet werden. Denn die 2-Wochen-Frist bei fristlosen Kündigungen, die gewahrt werden müsse, beginne erst mit Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen.

Konsequenz
Wird ein Arbeitnehmer für Kunden seines Arbeitgebers auf eigene Rechnung tätig, ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung in der Regel auch Jahre später noch gerechtfertigt.

18. Arbeitnehmer muss sein Zeugnis im Betrieb abholen

Rechtslage
Jedem Arbeitnehmer steht am Ende des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu. In der Regel wird es dem Arbeitnehmer zugeschickt; dies stellt aber dem Grunde nach eine Serviceleistung des Arbeitgebers dar. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat jetzt grundsätzlich darüber befunden, wer verpflichtet ist, ein Zeugnis an welcher Stelle abzuholen bzw. zu übergeben.

Sachverhalt
Im Ergebnis handelt es sich bei der Entscheidung um eine sogenannte Kostenentscheidung, weil sich das Verfahren erledigt hatte. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Der Kläger hatte einen eigenen Zeugnisvorschlag vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber übersandt. Dieses Zeugnis sollte zunächst dem Kläger zugesandt werden, da der Zeugnistermin aber noch nicht erreicht war, teilte der Arbeitgeber dem Kläger zuletzt mit, das Zeugnis könne am Zeugnistermin (= Datum des letzten Arbeitstages) abgeholt werden. Als der Arbeitgeber nach Aufforderung zur Zusendung des Zeugnisses das Zeugnis nicht übersandte, erhob der Kläger Klage auf Zeugniserteilung. Im Gerichtstermin wurde das Zeugnis schließlich übergeben, worauf hin über die Kosten der Zeugniserteilungsklage zu entscheiden war.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht entschied zu Lasten des klagenden Arbeitnehmers. Wenn keine besondere Regelung, z. B. im Arbeitsvertrag, vorliegt und auch keine besonderen Umstände bestehen, die dafür sprechen, dass das Zeugnis auf einem besonderen Weg übergeben werden sollte, dann greifen die allgemeinen Regelungen, wonach die Leistung (= Übergabe des Zeugnisses) am Ort des Schuldners (= der Arbeitgeber) zu erbringen sei. Mit anderen Worten, bei der Zeugniserteilung handelt es sich dem Grunde nach um eine Holschuld des Arbeitnehmers.

Konsequenz
Für die Erteilung des Endzeugnisses gilt, dass es am letzten Arbeitstag am Sitz des Arbeitgebers zu übergeben ist. Eine Klage auf Zeugniserteilung ohne einen eigenen Abholversuch birgt damit die Gefahr, dass der Arbeitnehmer die Kosten des Rechtsstreits, wenn er in den Gerichtstermin geht, zu übernehmen hat.

19. Welche Entfernungspauschale gilt für Reisetage: ganze oder halbe?

Kernaussage
Wird aufgrund einer Dienstreise lediglich die Hin- oder Rückfahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen der so genannten Pendlerpauschale durchgeführt, steht dem Steuerpflichtigen die Entfernungspauschale in unverminderter Höhe von 0,30 EUR je Entfernungskilometer zu.

Sachverhalt
Ein Steuerberater trat an verschiedenen Tagen aufgrund von vor oder im Anschluss an Mandantenbesuche stattfindenden Büroaufenthalten (Dienstreise) lediglich eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Büro machte er die tatsächlichen Kosten geltend. Das Finanzamt gewährte ihm daraufhin jedoch lediglich den Abzug der Pendlerpauschale unter Berücksichtigung der halben Pendlerpauschale in Höhe von 0,15 EUR je Entfernungskilometer. Im Anschluss an das erfolglose Einspruchsverfahren legte der Steuerpflichtige Klage vor dem Finanzgericht (FG) Münster ein.

Entscheidung
Die Münsteraner Richter entschieden, dass die Fahrten nicht mit den tatsächlich hierfür angefallenen Kosten, sondern nur nach den Grundsätzen der Pendlerpauschale berücksichtigt werden können. Die Regelungen zur Pendlerpauschale rechtfertigten jedoch nicht die durch das Finanzamt vorgenommene hälftige Kürzung der Kosten je Entfernungskilometer, sodass auch an Tagen einfach durchgeführter Fahrten die volle Pendlerpauschale in Höhe von 0,30 EUR zu gewähren sei. Die Richter begründeten ihre Auffassung mit der Gesetzesformulierung, aus der sich unmissverständlich ergebe, dass die Pendlerpauschale unabhängig davon, wie oft die Strecke je Arbeitstag zurückgelegt werde, welches Verkehrsmittel benutzt oder welche Kosten tatsächlich angefallen seien, in voller Höhe berücksichtig werde.

Konsequenz
Die Sichtweise des Finanzgerichts muss für Arbeitnehmer entsprechend gelten. Für sie kann das Urteil zu einer erhöhten Pauschalierungsmöglichkeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber führen. Die Pauschalierung der Lohnsteuer mit einem Steuersatz von 15 % ist auf den Betrag der geltend zu machenden Pendlerpauschale beschränkt. Führt der Arbeitnehmer an einem Tag lediglich eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch, könnte die Pauschalierung somit trotzdem in Höhe der regulären Pendlerpauschale erfolgen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

20. BFH entscheidet sich für Abkehr vom subjektiven Fehlerbegriff 

Kernaussage
Das Finanzamt ist im Rahmen der Besteuerung auch dann nicht an die vom Steuerpflichtigen aufgestellte Bilanz gebunden, wenn die Bilanzansätze bei unklarer Rechtslage der kaufmännischen Sorgfalt entsprachen.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz. Ihren Kunden gegenüber bietet sie neben der Bereitstellung des Netzes auch den Verkauf von Mobilfunkgeräten an. Voraussetzung hierfür ist jedoch die meist mehrjährige Bindung des Kunden an das entsprechende Mobilfunknetz. Die mit dem verbilligten Verkauf der Mobiltelefone verbundenen Aufwendungen zog die Klägerin in vollem Umfang steuerwirksam von ihrem Ergebnis ab. Dem trat das Finanzamt entgegen und vertrat die Auffassung, dass die steuerliche Wirkung der Aufwendungen durch Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens über mehrere Jahre zu verteilen sei, weil sie mit künftigen Einnahmen aus den Mobilfunkverträgen in Zusammenhang stünden. Im Rahmen von Klage und Revision trug die Klägerin unter anderem vor, das beklagte Finanzamt sei an die Bilanzierung gebunden, da sie wegen unklarer Rechtslage jedenfalls kaufmännischer Sorgfalt entsprach.

Entscheidung
Dem Großen Senat des BFH wurde daher die Frage vorgelegt, ob der sogenannte subjektive Fehlerbegriff Anwendung finde, ob also die vom Steuerpflichtigen für zutreffend gehaltene Bilanzierung für das Finanzamt Bindungswirkung entfalte. Der Große Senat verneinte die Frage. Er führte aus, dass es für die materielle Rechtslage nicht entscheidend sein könne, ob der Bilanzierungspflichtige Bilanzpositionen für richtig hält oder halten darf. Daher könne auch der vom Bilanzierungspflichtigen redlicherweise gewählte Bilanzansatz das Finanzamt nicht davon abhalten, den materiell richtigen Bilanzansatz bei der Besteuerung zu berücksichtigen. Das Finanzamt müsse nämlich, um die Gesetzmäßigkeit und Gleichheit der Besteuerung sicherzustellen, den materiell richtigen Gewinn besteuern.

Konsequenz
Der Große Senat hat mit der Entscheidung den subjektiven Fehlerbegriff – jedenfalls bezogen auf Rechtsirrtümer – aufgegeben. Es bleibt abzuwarten, ob auch im Bereich der Tatsachenirrtümer künftig eine Abkehr vom subjektiven Fehlerbegriff erfolgt.

21. Bankmitarbeiter haften nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

Kernaussage
Wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an der Tat durch Hilfeleistung teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die darauf entfallenden Zinsen. Im Zusammenhang mit anonymisierten Kapitaltransfers ins Ausland setzt die Feststellung einer Steuerhinterziehung voraus, dass der jeweilige Inhaber des ins Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z. B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof (BFH) Anfang diesen Jahres, dass Bankmitarbeiter nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangt werden können, wenn die mutmaßlichen steuerpflichtigen Bankkunden anonym bleiben.

Sachverhalt
Der Kläger hatte 1992 und 1993 als Leiter der Wertpapierabteilung eines deutschen Kreditinstituts daran mitgewirkt, dass Kunden Wertpapiere unter Verschleierung ihrer Identität nach Luxemburg und in die Schweiz transferieren konnten. Dies diente dazu, der 1991 in Deutschland eingeführten Zinsabschlagssteuer zu entgehen. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen bei dem Kreditinstitut brachten zwar den Umfang des auf diesem Weg anonym ins Ausland transferierten Vermögens zu Tage. Es gelang jedoch nicht, sämtliche dahinterstehenden Kunden namentlich zu enttarnen. Von den enttarnten Kunden hatte nahezu keiner die im Ausland erzielten Kapitalerträge in seiner Steuererklärung angegeben. Das Finanzamt übertrug die Erkenntnisse über die enttarnten Kunden auf die nicht enttarnten Kunden und nahm den Kläger unter Anwendung eines großzügigen Sicherheitsabschlags für die von den nicht enttarnten Wertpapierkunden mutmaßlich hinterzogene Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitalerträge in Haftung.

Entscheidung
Hiergegen wehrte sich der leitende Bankmitarbeiter und gewann. Die BFH-Richter führten aus, allein die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers reiche nicht aus, um eine hinreichend sichere Überzeugung davon zu gewinnen, dass die nicht enttarnten Kunden die Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte hinterzogen hätten. Auch die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden könnten für die Gruppe der anonym gebliebenen Kunden konkrete tatsächliche Feststellungen nicht ersetzen. Dies gehe zu Lasten der Finanzverwaltung, die hierfür die Feststellungslast trage.

Konsequenz
Trotz der Tatsache, dass eine Bank die Möglichkeit des anonymisierten Geldtransfers ins Ausland anbietet, haften Mitarbeiter dieser Bank nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wenn die Kunden nicht enttarnt werden können. Es existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass, wer Kapital anonym ins Ausland verbringt, auch in der Steuererklärung unrichtige Angaben der daraus erzielten Erträge macht. Interessant ist aber, dass der BFH im Urteil offen gelassen hat, ob eine Steuerhinterziehung unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen auch ohne namentliche Kenntnis des Haupttäters in Betracht kommt.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
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